Dienstag, 10. Juni 2025

Europa auf Kriegskurs - Linke Zeitung

 Entnommen: https://linkezeitung.de/2025/06/10/die-letzten-tabus-fallen-europa-auf-kriegskurs/

Die letzten Tabus fallen: Europa auf Kriegskurs

VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 10. JUNI 2025 ⋅ HINTERLASSE EINEN KOMMENTAR


Von Thomas Röper – https://anti-spiegel.ru

Letzte Woche sind weitere Tabus gefallen und die EU bewegt sich weiter auf einen Krieg mit Russland zu.

Der Trick der Merz-Regierung, deutsche Langstreckenwaffen an die Ukraine zu liefern und die als „ukrainische Produktion“ zu bezeichnen, dürfte ein fataler Fehler sein. In Russland mehren sich die Stimmen, die immer eindringlicher fordern, auf Angriffe mit europäischen – und vor allem mit deutschen – Langstreckenwaffen auf Ziele in Russland mit gleicher Münze zu antworten.

In Russland pfeifen es die Spatzen bereits von den Dächern, dass in die Geduld in den Moskauer Korridoren der Macht ihrem Ende zugeht, wenn die Europäer weiter eskalieren. Gerade erst gab es einen Vorfall, der in den Medien keine Rolle gespielt hat, der aber einmal mehr gezeigt hat, wie sehr deutsche Technik in der Ukraine bereits für Angriffe auf zivile russische Ziele eingesetzt wird.

Davon habe ich eher zufällig erfahren und darüber werde ich zu gegebener Zeit mehr berichten. Aber Fakt ist, dass hinter den Kulissen mehr geschieht, als die Öffentlichkeit erfährt. Und das, was geschieht, sind weitere Eskalationsschritte europäischer Länder, bei denen Deutschland seit dem Amtsantritt von Friedrich Merz in der ersten Reihe mitspielt.

Um die Tabus, die die EU inzwischen reihenweise bricht, ging es auch im dem Beitrag des Deutschland-Korrespondenten, den das russische Fernsehen am Sonntag in seinem wöchentlichen Nachrichtenrückblick ausgestrahlt hat und den ich wie jede Woche übersetzt habe.

Beginn der Übersetzung:

Für die Ukraine ist Europa bereit, alle Tabus zu brechen

Natio-Generalsekretär Ruttes Sympathisanten bezeichnen ihn als einen erfahrenen und kultivierten Politiker. Dennoch unterläuft ihm immer wieder eklatante semantische Fehler, auch wenn er sie selbst vielleicht gar nicht bemerkt. So sagte er nun: „Die NATO ist das mächtigste Verteidigungsbündnis der Menschheitsgeschichte. Mächtiger sogar als das Römische Reich. Und mächtiger als Napoleons Reich. Wir sind die stärkste Verteidigungskoalition der Geschichte.“

Er hat Gleiches mit Gleichem verglichen: Weder das Römische Reich noch Napoleons Reich waren Verteidigungsbündnisse. Auch die NATO ist keines. Der „Schutz von Demokratie und Menschenrechten“ ist ein löchriger Schleier, hinter dem sich schlecht verhüllte Eigeninteressen und Aggressionen verbergen. Jugoslawien zu zerreißen, um einen amerikanischen Stützpunkt auf dem Balkan zu errichten, Libyen zu zerstören, um persönliche Rechnungen zu begleichen, den Irak wegen des Öls zu vernichten, Syrien Terroristen zu überlassen, um Gaspipelines von Katar nach Europa zu bauen.

Diese Woche berichtete der brasilianische Präsident, sein amerikanischer Kollege Biden habe ihm gegenüber einmal zugegeben, Russland „zerstören“ zu wollen. Obwohl sie auf dem Weg zu diesem Ziel große Schwierigkeiten überwinden mussten, sei es falsch zu glauben, sie hätten es aufgegeben.

Und der britische Premierminister Keir Starmer erklärte: „Drohnen, Zerstörer, Flugzeuge mit künstlicher Intelligenz – jeder Zweig unserer Streitkräfte ist vollständig integriert, um eine Armee zu schaffen, die bis 2035 zehnmal tödlicher sein wird.“

Anfang dieser Woche besuchte der britische Premierminister Starmer den großen Rüstungskonzern BAE Systems, wo er den Kriegskurs gegen Russland ankündigte. Die Pläne stoßen bei Analysten auf der Insel auf Skepsis, dennoch wird Großbritannien Dutzende Milliarden Pfund für die Modernisierung von Atomwaffen und den Bau von Angriffs-U-Booten ausgeben, sowie eine „digitale Front“ aufbauen – ein cyber-elektromagnetisches Kommando, das die russische militärische und zivile Infrastruktur angreifen soll. Und das kann sofort umgesetzt werden, um die Ukraine es an eigener Stelle tun zu lassen.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius erklärte: „Russlands militärischer Erfolg ist weder unvermeidlich noch wahrscheinlich. Russland wird besiegt werden, weil die tapferen Ukrainer ihr Land und ihre Freiheit verteidigen und dem russischen Aggressor mit großer Entschlossenheit entgegentreten, und weil wir die Ukraine unterstützen.“

Verteidigungsminister Pistorius räumt die Möglichkeit einer militärischen Niederlage der Ukraine nicht einmal ein. Das sind keine weltanschaulichen Lücken, sondern ein politisches Konzept. Mit dessen Umsetzung erreicht Europa eine neue Etappe: den Bruch jeglicher Tabus bei der Ausrüstung des Kiewer Regimes mit konventionellen Waffen.

Für Deutschland waren die Taurus-Marschflugkörper so ein Tabu, deren Produktion eine wissenschaftlich-technische Ausbildung und deren Einsatz hochqualifizierte Militärspezialisten erfordert. Die vorherige Regierung von Bundeskanzler Scholz wollte keine Taurus-Raketen an die Ukraine liefern, da das eine direkte Beteiligung Deutschlands am Konflikt bedeutet hätte. Die Regierung Merz kennt solche Einschränkungen nicht, denn heute glaubt man in Berlin, sich unter dem Dach der gemeinsamen Produktion vor jeglichen Anschuldigungen schützen zu können.

Boris Pistorius sagte dazu: „Bereits in diesem Jahr kann eine beträchtliche Menge an Langstreckenwaffen produziert werden. Die ersten Systeme könnten in wenigen Wochen bei den ukrainischen Streitkräften stationiert werden.“

Das jüngste Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe, kurz Rammstein, zeigte deutlich, dass das bankrotte Land, dessen BIP-gebundene Wertpapiere diese Woche ausgefallen sind, das Land, das sich weigert, die Leichen seiner gefallenen Soldaten anzunehmen, um deren Familien keine Entschädigung zahlen zu müssen, kurz vor einem atemberaubenden Technologieboom steht, der es der Ukraine angeblich ermöglichen wird, Raketen und Drohnen nahezu jeder Komplexität zu produzieren: französisch-ukrainische, britisch-ukrainische, „was-auch-immer“–ukrainische Joint Ventures. Hauptsache, sie führt Krieg.

Der schwedische Verteidigungsminister Poul Jonsson erklärte: „Es ist äußerst wichtig, dass das Bündnis diese paar Jahre nutzt, in denen Russlands Machtpositionen in der Ukraine eingeschränkt sind.“

Der litauische Verteidigungsminister Dovile Šakalienė fügte hinzu: „Wenn interessante Entscheidungen über Sanktionen gegen Russland oder Verhandlungen mit der Ukraine getroffen werden, haben wir möglicherweise nicht drei bis fünf, sondern zwei bis drei Jahre Zeit.“

Carsten Breuer, der Chef der Bundeswehr, äußerte sich in einem BBC-Interview deutlicher und sagte, die Nato müsse auf einen Zusammenstoß mit Russland „heute Abend“ vorbereitet sein, obwohl die Nato selbstverständlich nicht bereit sei. Umso wertvoller sei es für sie, dass die Kiewer Junta mit ihm auf einer Wellenlänge sei: Hauptsache, jede Bewegung in Richtung Frieden werde gestoppt.

Wladimir Selensky sah das auch so und sagte: „Die Fortsetzung diplomatischer Treffen in Istanbul auf einer Ebene, die keine weiteren Entscheidungen trifft, ist meiner Meinung nach sinnlos.“

Selensky hatte im Dezember 2019 in Paris die Chance auf sinnvolle Verhandlungen, doch er tauschte das gegen Hype und Clownerie ein. Es gibt vielleicht keine zweite Chance. Europa versucht jedoch über all seine politischen Formate, nicht einmal Selensky (mit dem ist alles klar), sondern die Ukrainer davon zu überzeugen, dass sie diese Chance nicht brauchen. Ihre Rettung liege in der Nato, wo bereits eine Brücke gebaut sei, die die Ukraine nicht jetzt, sondern irgendwann überqueren dürfe, ermutigt NATO-Generalsekretär Rutte. Diese Lüge ist nicht neu. Viel wichtiger ist es, einzelne Versuche zu dokumentieren und zu den Wurzeln des Konflikts zurückzukehren – in das für Deutschland turbulente Jahr 1990.

Der Bundestagsabgeordneter der Linkspartei Mirze Edis fragte den deutschen Außenminister im Bundestag: „In den damaligen Nachrichten war immer wieder zu hören, dass die Regierung von Helmut Kohl der russischen Regierung versprochen hatte, eine Nato-Osterweiterung werde es nicht geben. Daher meine Frage an Sie: Wie wurde dieses Versprechen gebrochen, und wann wird die Nato-Osterweiterung endlich enden?“

Darauf antwortete Bundesaußenminister Johann Wadephul: „Wann hört dieses Parlament endlich auf, Falschaussagen von rechts und links zu verbreiten? Das muss ich sagen. Also, ja. Bleiben wir bitte bei der Wahrheit. Eine solche Zusage gab es nicht.“

Außenminister Wadephul lügt. Die Regierung unter Helmut Kohl, vertreten durch den damaligen Außenminister Genscher, versprach immerhin, keine militärische Infrastruktur der NATO in den ostdeutschen Bundesländern zu stationieren. Andernfalls wäre sie dort schon viel früher oder zeitgleich mit dem Vormarsch der NATO nach Osten aufgetaucht. Deutschland hat sich lange an diese Vereinbarungen gehalten, verletzte sie aber im vergangenen Jahr, ganz im Sinne des sich verschärfenden Konflikts mit Russland, mit der Stationierung eines NATO-Marinekommandozentrums in Rostock.

Übrigens sind nun auch aus der Merz-Wadephul-Partei Stimmen zu hören, die die Sache bis zum Ende durchziehen wollen, bis zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Bundestagsabgeordneter Roderich Kiesewetter forderte: „Wir müssen alle verbliebenen Agenten und Diplomaten ausweisen. Es wäre ratsam, das Russische Haus in Berlin und andere Institutionen zu schließen.“

Der ehemalige Oberst Kiesewetter, der diese Idee hatte, ist nicht der unbedeutendste Christdemokrat. Unter anderen Umständen hätte man seiner Initiative vielleicht Gehör geschenkt, jetzt aber nicht, im Gegenteil, die Reaktion der Regierung bestand darin, Kiesewetter als Strafe für öffentlich und unpassend geäußerten gefährlichen Unsinn aus dem parlamentarischen Kontrollausschuss für die Geheimdienste zu entfernen.

Zwar hat Europa mit der Ukraine im Krieg mit Russland noch eine mehr oder weniger stabile Frontlinie, doch plötzlich gab es begründete Zweifel an der Zuverlässigkeit der Linie im Hinterland, ohne die alle militärischen Bemühungen sinnlos sind. Der neue Pentagonchef Pete Hegseth ignorierte demonstrativ das Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe und erschien erst am nächsten Tag beim Treffen der NATO-Verteidigungsminister. Er verkündete, das Bündnis müsse nun neue Wege gehen, und erklärte: „Fünf Prozent für Verteidigungsausgaben. Angesichts der Bedrohungen, denen wir ausgesetzt sind, der Notlage in der Welt, ist das entscheidend. Wir brauchen nicht mehr Flaggen. Wir brauchen mehr Kampfverbände. Wir brauchen nicht mehr Konferenzen. Wir brauchen mehr Fähigkeiten und mehr Härte der Kräfte.“

Die Trump-Administration will keine NATO-Erweiterung, stattdessen sollen die bestehenden Verbündeten ihre eigenen Streitkräfte auf Vordermann bringen. Natürlich unter Beteiligung amerikanischer Rüstungskonzerne.

Dabei sind fünf Prozent des BIP die Hälfte des Staatshaushalts eines wohlhabenden Landes wie Deutschland. Das sind mehr als 200 Milliarden Euro pro Jahr. Rutte riet entweder zu Steuererhöhungen, einer Erhöhung der Staatsverschuldung oder Einsparungen bei Sozialprogrammen. Offensichtlich wird man alle drei Dinge tun müssen.

Es gibt aber noch eine andere Möglichkeit, nämlich schummeln. Kurz gesagt: Europa hat sich bereit erklärt, sich auf fünf Prozent zuzubewegen, aber so, dass auch die Mittel für die militärische Unterstützung Kiews sowie die Kosten für die Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur für Kriegsbedingungen berücksichtigt werden. Das ist fast schon die gemeinsame Position.

Ungarn und die Slowakei stehen wie immer abseits und haben ihre eigenen Vorstellungen davon, wo gespart werden kann, wie der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán sagte: „Glücklicherweise sind wir nicht mehr allein. Das slowakische Parlament hat kürzlich beschlossen, keine Sanktionen gegen Russland zu unterstützen. Daher sehe ich eine Zusammenarbeit, um die Brüsseler Politik zu stoppen, die meiner Meinung nach rücksichtslos ist. Wir müssen so schnell wie möglich ein Sicherheitsabkommen mit Russland schließen, denn wenn alles nach Brüssels Plänen läuft, werden wir unser gesamtes Geld für Waffen ausgeben.“

Doch genau darauf läuft alles hinaus. Für Merz, Macron, Starmer und von der Leyen sind Verhandlungen mit Russland schon lange keine Option, da sie mit der Notwendigkeit verbunden sind, derartige Verluste einzugestehen, die ihr politisches Überleben gefährden. Es gibt kein Zurück.

Trotz der Diskussionen über die Möglichkeit, die USA als Hauptsponsor und Sicherheitsgarant der Ukraine zu ersetzen, ist sich Europa bewusst, was diese aufgeblasenen Backen kosten. Europa kann Russland und der russischen Armee Probleme bereiten, mehr aber nicht.

Deshalb haben sie den deutschen Bundeskanzler zum US-Präsidenten geschickt. Merz sollte nun das versuchen, das zu tun, was der Franzose und der Engländer nicht konnten.

Der Politikwissenschaftler Clemens Fischer kommentierte das so: „Merz hat eines sehr gut verstanden: Man muss einfach nur ruhig sitzen. Er war wie ein Zuschauer im Kino und hat alles, was passierte, beobachtet, was sehr klug von ihm war. Merz hat nicht versucht, Trump zu unterbrechen, was der nicht ertragen kann. Merz hat Trump keine Ratschläge gegeben, sondern einfach gesagt: ‚Wir brauchen dich. Du bist die einzige Lösung für diesen Krieg. Du bist der Schlüssel zur Lösung.’“

Merz ist gescheitert. Er erhielt von Trump weder Garantien für militärische Unterstützung noch für anti-russische Sanktionen. Doch um die nationale Demütigung in einen Erfolg zu verwandeln, gingen deutsche Experten so weit, dem Kanzler, der die Führung in Europa beansprucht, im Oval Office lediglich die Rolle des Zuschauers zuzuschreiben. Gott sei Dank wurde er nicht hinausgeworfen, weil er einfach nur still dasaß.

Je näher der NATO-Gipfel in Den Haag rückt, desto deutlicher beginnen die Knie der meisten europäischen Politiker zu zittern, weil der US-Präsident sie eindeutig als Feinde betrachtet – genau wie die amerikanischen Demokraten, nur äußere Feinde. Und vielleicht war es ein Fehler von Merz, dass er Trump an die Landung in der Normandie erinnerte. Trump kann ihm wohl noch ein paar unangenehme Tage bereiten und das dann als Befreiung bezeichnen.

Ende der Übersetzung

https://anti-spiegel.ru/2025/europa-auf-kriegskurs/


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