Freitag, 22. November 2019

OSSI KAUFT "Berliner Zeitung" - Dumme Gegenwehr




Ein Ossi Macht Meinung – Hängt ihn auf!



Von Armin Siebert

Die Schlinge zieht sich zu um das ostdeutsche Unternehmerpaar Friedrich, die neuen Besitzer der „Berliner Zeitung“. Die Meinungsmacher von Berlin bis Zürich blasen ins selbe Horn: „Hängt sie auf!“ Es darf nicht sein, was nicht sein darf – dass ein Ossi Meinung macht.

„Was erlauben Strunz?" – Der bundesdeutsche Blätterwald macht gerade den Trapattoni und hat seinen „Strunz“ in Holger Friedrich gefunden. Der charismatische Unternehmer hat vor einigen Wochen gemeinsam mit seiner nicht minder erfolgreichen Frau den „Berliner Verlag“ mit dem Flaggschiff „Berliner Zeitung“ gekauft. Soweit so gut, wäre da nicht ein Oxymoron gewesen: „Ostdeutsche Millionäre“. Und dann kaufen diese Spinner angesichts sterbender Printmedien auch noch einen Verlag? Reiche, ostdeutsche Idealisten, die mit einer großen Berliner Zeitung Meinung machen wollen? Das war zu viel des Guten. Und die Kampagne nahm seinen Lauf. Besonders „Spiegel Online“ begann frühzeitig sich auf die Friedrichs einzuschießen. Erst nur mit Spott, wurde schnell einen Gang hochgeschaltet und gezielt diffamiert. Ungewöhnlich, dass sich ein überregionales Medium so ausführlich einer regionalen Personalie widmet. Schnell stimmten die anderen Leitmedien mit ein in den Chor der Gerechten. Als die Friedrichs dann noch in einem Editorial dem letzten DDR-Chef Egon Kranz dankten, dass es bei der Maueröffnung am 9. November keine Toten gab und die Friedrichs auch für Putin ein gewisses Verständnis zeigten - ergo Putinversteher -  kochte die Seele des kalten Kriegers. Den finalen Dolchstoß setzte die „Welt am Sonntag“ mit einer Enthüllungsstory über die „Stasi-Vergangenheit“ von Holger Friedrich. Seitdem hat die Leit-Journaille Schaum vorm Mund, alle Hemmung fallen gelassen und auf „Fertig machen“ geschaltet.

Die Ermittlungen laufen an



Der Umgang Friedrichs mit dem Thema ist seit der Stasi-Enthüllung souverän, nachdem er vorher eine Reihe von Fehlern gemacht hatte. Der DPA ein Interview ausgerecht zu seiner Armeezeit 1989 zu geben und seine gleichzeitige IM-Verpflichtung nicht zu erwähnen, war heikel. Wahrscheinlich wollte er keine schlafenden Hunde wecken. Vielleicht ist Friedrich aber auch mit sich und vor allem mit den Opfern im Reinen. Das werden die Untersuchungen der nächsten Wochen zeigen. Und dann natürlich der „Insider-Tipp“, den er seiner Redaktion gab, doch mal über dieses coole Biotech-Start-Up zu berichten, ohne zu erwähnen, dass Friedrich selbst Anteile an dem Unternehmen hält. Das geht gar nicht.


Solche Anfängerfehler wird der Neu-Verleger sicher nicht mehr begehen, da nun jeder seiner Schritte zentnerschwer auf der Goldwaage liegt. Bis jetzt versucht er in Erklärungen „In eigener Sache“ auf der Website der „Berliner Zeitung“, unemotional und transparent auf jeden Vorwurf einzugehen und aufzuklären. Auch die Redaktion der „Berliner Zeitung“, sah sich gezwungen, ein „Ermittlerteam“ zur Causa Friedrich einzurichten, um ja ihre Unabhängigkeit unter Beweis zu stellen.
Totschlag-Argument „Stasi“



Das Thema Stasi diente jahrzehntelang als Totschlag-Argument. Tausende Biografien wurden damit nach der Wende abrupt beendet und Leben negiert. Menschen, die eben noch zur Elite gehörten, landeten plötzlich auch dem Müllhaufen der Geschichte. Noch tragischer ist aber die Kontaktschuld für die über 100.000 IMs, die ebenfalls als Kapitalverbrecher behandelt wurden und werden. Übrigens wurde gerade 2019, von den Medien völlig gleichgültig unbeleuchtet, vom Bundeskabinett beschlossen, die Frist zur Überprüfung von Bewerbern im öffentlichen Dienst auf frühere Tätigkeiten für die Staatssicherheit in der DDR bis 2030 zu verlängern. Die Wende ist dann über 40 Jahre her! Das heißt, dass so ein potentiell „fauler“ Bewerber um eine Erstanstellung im öffentlichen Dienst 2030 etwa 60 Jahre alt sein müsste, um eventuell in der Endzeit der DDR als 18jähriger für die Stasi gearbeitet zu haben. Wieso regt sich über solche Methoden, die ad absurdum selbst an einen Überwachungsstaat erinnern, niemand auf?

Stasi oder Knast



Wie der Fall Friedrich mal wieder eindrucksvoll zeigt, ist das Thema Stasi zu komplex, um pauschal zu (ver)urteilen. Außer Frage steht, nicht die Opfer zu schmälern, die wirklich unter der Stasi gelitten haben. Friedrich schreibt, dass er nach der Wende sofort das Gespräch mit seinen „Opfern“ gesucht und wohl auch einvernehmlich gefunden habe.

Wenn die bisher bekannten Fakten stimmen, dann stand er bei seiner Verpflichtung unter so enormen Druck, dass sich jeder Leser fragen sollte, ob er dem standgehalten hätte. Friedrich, der damals seinen Armeedienst absolvierte, erklärt dazu: „Ich wurde unter dem Verdacht der Republikflucht von der Militärabteilung der Staatssicherheit verhaftet. Da ich zu diesem Zeitpunkt Militärangehöriger war, stand zudem der Vorwurf im Raum, Fahnenflucht zu begehen. In den darauffolgenden Verhören wurde zudem der Vorwurf eines bewaffneten Grenzdurchbruchs erhoben…. Nach längeren Verhören in einem Objekt des MfS bestanden zwei Optionen: a) Ich werde der Militärstaatsanwaltschaft in Neubrandenburg überstellt, mit der Aussicht auf eine mehrjährige Haftstrafe im Militärgefängnis Schwedt oder b) ich nehme das Angebot der beiden Vernehmungsoffiziere an und erkläre meine Bereitschaft, eine „Wiedergutmachung“ zu leisten.“ Friedrich entschied sich für Option b), aber verhielt sich dabei anscheinend so unkonstruktiv, dass die Zusammenarbeit mit ihm beendet wurde. Allerdings erst nach anderthalb Jahren. Aber dies soll die Untersuchung zeigen. Jedenfalls ist es zu früh, Friedrich ans Kreuz zu nageln. Es möge jeder prüfen, ob er das Recht hat, den ersten Stein zu werfen.

Absicht oder Reflex?



Die macht- und meinungsbildenden Leitmedien funktionieren jedenfalls beim Thema Friedrich wie auf Knopfdruck unisono, haben Blut geleckt, wetzen die Messer, um den nestbeschmutzenden Ossi wieder zurück in Reih und Glied zu stutzen. Um das Thema „Lügenpresse“ gibt es die Henne-oder-Ei-Diskussion: machen die das nun mit Absicht oder unbewusst? Gemeint ist ein gleichgeschalteter Tenor in den Leitmedien zu bestimmten Themen wie DDR, AfD, Syrien oder Russland. Ich würde nicht so weit gehen, dahinter eine Verschwörung zu wittern. Vielmehr sind dies Reflexe, die einer ähnlichen Sozialisierung, einem gewissen Status, einem Elitendenken, einer satten Staatsnähe geschuldet sind. Die führenden Journalisten kommen nun einmal zu mehr als 90 Prozent aus Westdeutschland und dort hat man eher sein Austauschjahr in den USA, als in Polen verbracht und höchstwahrscheinlich noch nie einen Russen getroffen. Gleich und gleich gesellt sich gern. Die DDR war auch hinterm Eisernen Vorhang und Ostdeutschland ist es für mache Redakteure noch immer. Mit einem ostdeutschen Journalisten oder gar Chef und Meinungsmacher fremdelt man da eher.

Ausgerechnet Knabe



Bisheriger Höhepunkt des Shitstorms war am Montag ein Artikel zur Causa Friedrich in der Schweizer NZZ. Autor ist ausgerechnet der ehemalige Leiter der Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, der 2018 in Unehren entlassen wurde. Knabe nutzt nun den Fall Friedrich, um sich als seriöses moralisches Gewissen wieder ins Spiel zu bringen. Widerlich, wenn man an sich an die Vorwürfe seiner ehemaligen Mitarbeiterinnen erinnert.

Wie kann es überhaupt sein, dass ein Westdeutscher achtzehn Jahre lang ein Stasi-Museum leitet? Jemand, der nie in der DDR gelebt hat, nie unter der Stasi leiden musste, verwaltet das Erbe?

Das ist leider kein Einzelfall. Der gesamte Osten wird nach wie vor vom Westen geleitet - mit dem einzigen Feigenblatt ausgerechnet ganz oben auf dem Kanzlerinnenthron. Gerade erst kam im Zuge des Mauerfall-Jubiläums eine Diskussion in Gang darüber, dass kaum Ostdeutsche an den Schalthebeln der Macht sitzen (dürfen). Es gibt bis heute keinen ostdeutschen General und keinen einzigen Rektor einer wissenschaftlichen Einrichtung im Osten. 80 Prozent der Staatsanwälte und Richter in Ostdeutschland kommen aus dem Westen. Unter den 500 Vorstandsmitgliedern der einhundert größten deutschen Unternehmen findet sich nur ein halbes Dutzend mit DDR-Biografie. Genauso ist es bei den 340 Bundesrichtern und 160 Staatssekretären und Abteilungsleitern in den Bundesministerien. Und natürlich ist es genauso im Journalismus, wo Ossis selbst bei Regionalzeitungen in Ostdeutschland nicht unbedingt auf den Chefsessel dürfen.

Fremdwerbung



Sollten die Friedrichs scheitern, wird dies noch eine gute Zeit lang als Beispiel dienen nach dem Motto: Seht ihr, ihr hattet eure Chance, ihr habt es einfach nicht drauf, ihr müsst erst noch mehr Demokratie lernen. Zurück auf die billigen Plätze.

Eigentlich müsste man jetzt aus Prinzip und aus Solidarität ein Abo der „Berliner Zeitung“ abschließen, um den Friedrichs eine Chance zu geben. Denn am Ende werden auch bei den Idealisten die Zahlen über das Schicksal entscheiden. Wenn es denn zu einem fairen Wettbewerb kommen sollte. Im Moment sieht es nicht danach aus.

* Die Meinung des Autors muss nicht der der Redaktion entsprechen.





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