Sonntag, 4. November 2018

Lehren der Geschichte - Arnold Schölzel, RotFuchs



Lehren der deutschen Geschichte

Der 100. Jahrestag der Novemberrevolution erinnert daran, welche tiefen Gegensätze zwischen DDR und BRD auch in der Geschichtspolitik existierten. Der ostdeutsche Staat sah sich zu Recht als Erbe und Fortsetzer der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung. Sie beendete am 9. November 1918 die jahrhundertelange Herrschaft der Hohenzollern und anderer feudaler Dynastien, brachte die Herrschaft des deutschen Monopolkapitals und des Militarismus ins Wanken und stoppte das Völkermorden des Ersten Weltkrieges. Der erste Versuch des deutschen Imperialismus, die Weltherrschaft zu erobern, war gescheitert. Nur durch das zunächst geheime Zusammenspiel von SPD und Militär konnte die Revolution gestoppt und niedergeschlagen werden.

Heute ist erwiesen, daß der Befehl zur Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht am 15. Januar 1919 aus der SPD-Führung kam. Viele Revolutionäre von 1918 wie Wilhelm Pieck, Walter Ulbricht, Bernard und Wilhelm Koenen oder Jacob Walcher wirkten in der DDR an vorderster Stelle in Staat und Gesellschaft. Für zahlreiche Künstler und Schriftsteller, die als Kriegsgegner die Revolution begrüßt hatten, kam nur die DDR als Arbeitsort in Frage: Von Bertolt Brecht und Johannes R. Becher über Wieland Herzfelde und Anna Seghers bis zu Arnold Zweig, von John Heartfield und Otto Nagel bis zu Karl Völker und all jenen, deren Werke einst in der Sammlung proletarisch-revolutionärer Kunst der Nationalgalerie im Otto-Nagel-Haus am Märkischen Ufer in Berlin zu sehen waren. Ihre Arbeiten wanderten nach der Beseitigung der DDR ins Depot.


Wachgehalten wurde die Erinnerung an die Revolution durch DEFA-Filme wie „Das Lied der Matrosen“ (1958) oder die beiden zum Wirken Karl Liebknechts zwischen 1914 und 1919 von Günter Reisch („Solange Leben in mir ist“ und „Trotz alledem“). Die Singebewegung entdeckte die Kampflieder von 1918 und den folgenden Jahren der revolutionären Nachkriegskrise neu. „Auf, auf zum Kampf“ war ebenso Allgemeingut wie „Brüder, seht die rote Fahne“.

Die DDR hatte eine eigene Kultur mit tiefen Wurzeln in den fortschrittlichen Traditionen der deutschen Geschichte. Das ist ein Grund, warum sie zum Erstaunen oder Entsetzen derjenigen, die sie seit 28 Jahren ausrotten möchten, die für ihre Zerstörung und Verächtlichmachung riesige Geldsummen aufwenden, ungezählte „Stasi“-Schmonzetten, mäßige Romane und schlechte Filme produzieren, lebendig ist und bleiben wird. Aus demselben Grund spielt die Novemberrevolution in der BRD-Geschichtspolitik einschließlich der der SPD keine besondere Rolle – vom Schulunterricht angefangen.

Der Umgang mit dem angeblichen Ursprung „der“ Demokratie in Deutschland ist dort – linke und demokratische Publizisten stets ausgenommen, hier sei nur Sebastian Haffners „Verratene Revolution“ erwähnt – mehr als zurückhaltend. Das gilt auch 2018. Die Spuren schrecken noch immer. Das war vor vier Jahren anders. Der 100. Jahrestag des Datums, an dem in Berlin der Erste Weltkrieg in Gang gesetzt wurde, wurde groß begangen. Eine Flut von Publikationen ergoß sich in Buchhandlungen und Bibliotheken. Hochgejubelt wurde ein Band mit dem Titel „Die Schlafwandler“, mit dem der Begriff „imperialistischer Krieg“ zu Grabe getragen werden sollte. An solch einem, wollte der heute zum ZDF-Moderator gemachte britischaustralische Historiker Christopher Clark weismachen, ist niemand schuld, vor allem nie der deutsche Imperialismus. Clark hat die „wissenschaftliche“ Begleitung zu den Kriegen, an denen sich die BRD seit der Beseitigung der DDR beteiligte, und für den dritten deutschen Anlauf zu einem „Platz an der Sonne“ geschrieben.

Der Titel von Theodor Plieviers dokumentarischem Roman von 1932 über die Novemberrevolution, „Der Kaiser ging, die Generäle blieben“, muß ergänzt werden: Der deutsche Imperialismus führt wieder Krieg und rüstet für einen großen. Es ist möglich, das besagt 1918 trotz aller Niederlagen, ihm sein blutiges Handwerk zu legen. Arnold Schölzel

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