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Juni 2025
RotFuchs
Tribüne für Kommunisten, Sozialisten und andere Linke
Imperialistische Gier
Es war eine Schande, was sich am diesjährigen Tag der Befreiung vom Faschismus im Deutschen Bundestag abspielte. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier traten in Siegerpose auf, das Gedenken an die Kriegstoten, insbesondere die Befreier der Roten Armee, war Beiwerk. Was die deutsche Staatsführung von Achtung vor den Millionen sowjetischer Soldaten hält, demonstrierte sie vorab durch die Nichteinladung an die Botschafter Rußlands und der Republik Belarus. Klöckner und Steinmeier instrumentalisierten diesen Tag, um antirussische Propaganda zu verbreiten. Kern war die groteske Lüge, „mit dem Krieg gegen die Ukraine hat Putin unsere europäische Sicherheitsordnung in Trümmer gelegt“ (Steinmeier). Die NATO-Osterweiterung, den völkerrechtswidrigen NATO-Krieg gegen Jugoslawien 1999, die Kündigung aller Abrüstungs- und Rüstungskontrollverträge durch den kollektiven Westen oder den blutigen, von USA und EU finanzierten Putsch in Kiew 2014 mit dem nachfolgenden Krieg gegen die Bevölkerung der Ostukraine hat es offenbar nicht gegeben. Es war ein kleiner Trost, daß das Gedenken an den sowjetischen Mahnmalen anders verlief – von den Seelower Höhen bis Torgau.
Das beschämende Spektakel in Berlin lenkt den Blick auf ein weiteres Datum: den 22. Juni 1941, den Tag des Überfalls auf die Sowjetunion. Über die Kriegsziele des „Fall Barbarossa“ wurde in der BRD schon immer geschwiegen, die Forschungen und Dokumentensammlungen, die von DDR-Historikern vorgelegt wurden, ignoriert, verleumdet und abgetan. Fast mehr noch als der 8. und 9. Mai ist aber der 22. Juni für Kommunisten, Sozialisten und andere Linke Anlaß, den imperialistischen Charakter dieses Krieges zu brandmarken. Es war Gier nach Kolonien, nach Öl und anderen Rohstoffen, die schon im Ersten Weltkrieg die Politik des deutschen Kaiserreiches gegenüber Rußland bestimmte. Begleitet war das durch „eine widerliche rassistische Begleitmusik“, so der DDR-Historiker Dietrich Eichholtz (1930–2016), etwa vom faktischen deutschen Diktator Erich Ludendorff, von Schreibtischtätern wie den Unterzeichnern der „Professoren-Denkschrift“ vom Juli 1915 oder vom Alldeutschen Verband, hinter dem Gustav Krupp und Alfred Hugenberg standen. Eine „umfangreiche Vertreibung der Bevölkerung und eine Besiedlung durch deutsche Bauern“ sei notwendig, hieß es in dessen Denkschrift 1914. Deutschland müsse den russischen Feind in Bevölkerungszahl und -wachstum so schwächen, „daß er in aller Zukunft nicht in der Lage sein wird, uns in gleicher Weise zu gefährden“.
Das Konzept der „Dekomposition“, der Aufspaltung Rußlands, führte gemäß dem Grundsatz „Wer Kiew hat, kann Moskau zwingen“ zur Konstituierung der Ukraine durch deutsche Generalität. Die Nazis setzten das fort und fügten geplanten Völkermord hinzu. Dieser Begriff ist bis heute in der BRD fast ausschließlich für die Vernichtung der europäischen Juden reserviert. Vermieden wird er für die 1,1 Millionen Toten der Blockade von Leningrad, für die zumeist qualvoll ermordeten etwa 3,5 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen oder die Vernichtung durch Hunger und Zwangsarbeit, die für 30 Millionen Sowjetbürger bis Ende 1941 vorgesehen war. Bei einer Klöckner oder einem Steinmeier ist davon nie die Rede. Schon gar nicht vom deutschen Großkapital und dessen Plänen, die Dietrich Eichholtz so zusammenfaßte: „Die Entschlossenheit und der Eifer, mit dem sich das deutsche Großkapital nach dem 22. Juni 1941 auf die wirtschaftliche Beute in der Sowjetunion stürzte, sprachen Bände über ihre imperialistische Gier. Die deutschen Montankonzerne sicherten sich die Ausbeutung der Eisenerz- und Manganerzlagerstätten in der Ukraine und der Eisen- und Stahlwerke im Donezrevier. Der IG-Farben-Konzern beanspruchte alle Bunawerke (erobert wurde nur eines), Zeiss die optischen Werke, etwa das in Leningrad. Die AEG setzte sich in Kiew fest. Heftig stritten die Konzerne mit den Behörden um ihr späteres Eigentumsrecht an den geraubten Werken, bis es ihnen Hitler schließlich zusagte. Tausende ‚Treuhänder‘, Beutemacher und sonstige ‚eigennützige Hyänen des Schlachtfeldes‘ (Reichsfinanzminister Schwerin von Krosigk) trieben sich in den besetzten Gebieten herum.“
Treuhand? Beutemacher? Geschichte wiederholt sich nicht, aber jede Politik hat ihren Vorlauf. Wer sich an den nicht erinnert, will offenbar etwas nachholen. Die imperialistische Gier – das wissen DDR-Bürger aus eigenem Erleben – ist geblieben und tritt wieder einmal nackt hervor.
Arnold Schölzel
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